Aschdod, 1977
Chana lag in grünlichem Wasser, im dampfenden Badezimmer, Wellen von Bat-Oren, „Kieferntochter“, schlugen gegen ihren großen, schönen Körper.
Lalya hockte auf dem Wannenrand und konnte den Blick nicht von ihrer Mutter lassen, die sich dem wohlig warmen Wasser hingab. Wie schön sie in ihrer Nacktheit war: dunkel, glitschig, hart. Zorn hatte ihr Gesicht zu alterslosem Lavagestein gehärtet, aber keine Falten hineingefurcht. Dieser Zorn kam einer Naturkraft gleich, er konnte aber Chanas von geschickter Hand gezeichnete Züge nicht verfälschen.
Lalya war stolz auf den Zorn ihrer Mutter, der vor nichts und niemandem kapitulierte; nicht vor einem schönen Baby, nicht vor einem kleinen Hund, der sich verlaufen hatte. Darin lag eine Art Macht. Lalya wußte, daß sie anders als ihre Mutter war; sie änderte ständig ihre Meinung zu den Dingen. Manchmal liebte sie ohne Grund, so sehr, daß ihr Herz vor intensiven Empfindungen zu zerspringen drohte.
Chana sah ihre Tochter an, sah die Bewunderung in den klaren Augen und lächelte. Es war ein besonders weiches Lächeln, ein liebendes sogar, das sich nur selten auf dem Gesicht der Mutter Bahn brach. Und Lalya verlor keine Sekunde, sich am Licht dieses Lächelns zu wärmen, sog schnell jeden Tropfen Liebe auf, bevor er verdunstete. Im Liebe-Aufsaugen war sie eine Expertin: flink raffte sie alles zusammen, wie eine Diebin.
Lalya hatte die Begabung, aus fünf Minuten Liebe mehr Gefühl zu gewinnen, als es verschwenderische Menschen in einem ganzen Leben anzusammeln vermochten.
Chana war heute in guter Stimmung, eine von diesen Stimmungen, die sie nur manchmal, ohne ersichtlichen Grund, überkamen und ihren Mann und ihre Tochter mit einer regelrechten Glückswelle überspülten. Kichernd plauderte sie über den Krankenhausalltag, brachte Lalya mit kleinen Geschichten über Patienten, Ärzte und Schwestern zum Lachen. Wie gern sah Lalya ihre Mutter lachen und ließ sich von ihrem Jauchzen mitreißen, sie schmolz buchstäblich dahin und vergaß ihr eisernes Versprechen, sich nicht mehr von diesen seltenen Liebesanfällen einfangen zu lassen, vergaß alles, nur nicht den liebevollen Blick der Mutter.