Vom Übersetzen israelischer Literatur ins Deutsche
Die Stille im Lärm
Ich weiß noch gut, wie ich an einem Nachmittag die Academon-Buchhandlung auf dem Scopus Berg in Jerusalem betrat. Der Laden befindet sich auf dem Gelände der Hebräischen Universität, auf deren Campus die übliche Geschäftigkeit herrschte, während drinnen zwischen den Büchertischen nur zwei sonnengebräunte Studenten standen, jeder in ein Buch vertieft und weiter hinten ein Professor durch einen Fotoband blätterte. So lag über all den Bänden bedruckten Papiers eine unerwartete Stille, als warte eine andere, komplett gegensätzliche Welt darauf, entdeckt zu werden – ein Effekt, der sich in jeder Buchhandlung einzustellen vermag, aber für mich sollte jene Stille hebräischer Buchstaben etwas Besonderes bedeuten.
Dieses von Hektik zerrissene Land, der schwierige politische Alltag mit seinen Ungerechtigkeiten und Uneinsehbarkeiten, die Schicksale und Träume, all das schien hier für den Moment zur Ruhe gekommen zu sein. Um gelesen zu werden, gedacht und verstanden, möglicherweise auch beweint oder ausgelacht.
Ich steuerte auf die hintere Ecke des Ladens zu, in der Nachschlagewerke, Kataloge und Atlanten untergebracht waren. Wie oft hatte ich schon die großformatige Ausgabe von Even Schoschan mit seinem bunten Einband zu Rate gezogen und wieder zurückgestellt. Diesmal aber zog ich langsam und endgültig die vier dicken Bände einen nach dem anderen aus dem Regal und trug sie zur Kasse. Mit dem schweren Packen unter Arm wurde mir plötzlich klar, dass ich von nun an einen wertvollen Schlüssel in meinem Besitz haben würde: ein Werkzeug, das die Stille im Lärm aufzuspüren vermochte. An diesem Nachmittag hatte ich mein erstes hebräisches Wörterbuch gekauft.