Yishai Sarid: „Limassol“, Politthriller

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Ich blieb noch einen Moment im Auto sitzen, um einen Blick auf das alte Foto von ihr zu werfen und mir Here Comes the Sun zu Ende anzuhören. Harrison wird selten im Radio gespielt, und gute Morgenlieder wie dieses gibt es nur wenige. Vor der ersten Begegnung mit einem Menschen studiere ich seine Gesichtszüge stets genau, das beugt Überraschungen vor. Auf dem Bild sah sie sehr schön aus, nach hinten gestrafftes, hochgebundenes Haar, eine kluge Stirn. Sie war auf irgendeinem Intellektuellentreff und lächelte einem Araber zu.

Ein Morgen Ende Juli. Die Straße verströmte die städtische Gelassenheit der großen Ferien. Katzen klettern auf Müllcontainer und angeln nach Futter, zwei Freunde, die Surfbretter unterm Arm, schlendern sorglos lachend unter Tamarisken zum Meer. Ich wohne im dritten Stock, hatte sie am Telefon gesagt. An den Briefkästen klebten schichtenweise Schildchen mit den hebräischen Namen junger, häufig wechselnder Mieter, daneben lateinisch geschriebene, europäische Namen von Menschen, die schon nicht mehr lebten. Das Gebäude war ziemlich heruntergekommen, Putz bröckelte von den Wänden. Die vor Dreck undurchsichtigen hohen, schmalen Fenster im Treppenhaus erinnerten an ein verlassenes Kloster. Daphna öffnete mir barfuß, das Haar hinten zusammengebunden; ihre Augen blickten tief. Das merkte ich gleich.