Belletristik

Die Übersetzung von israelischer Belletristik, also der Bandbreite von historischen wie zeitgenössischen Romanen und Erzählungen, avantgardistischen Kurzgeschichten oder biografischen Texten vom Hebräischen ins Deutsche ist ein Türöffner zum Verständnis einer ganzen Region. Denn geht es in deutschen Medien um Israel, dominieren politische Nachrichten.

Das geistige und kulturelle Leben des israelischen Alltags inmitten oder bewusst jenseits des Nahost-Konflikts erfahrbar, lesbar und verständig zu gestalten, haben sich israelische Autoren und Hebräisch-Übersetzer zur Aufgabe gemacht. Belletristik-Themen wie Familie, Liebe, Abenteuer und sogar Science-Fiction zeichnen die bewussteren, weil menschlicheren Bilder als Agenturmeldungen.

So übernehmen Hebräisch-Deutsch-Übersetzer auch oft die Aufgabe von Scouts, die in der israelischen Kultur-Szene auf die Suche gehen, um den deutschen Leser mit etwas Außergewöhnlichem zu überraschen.

 

INTERVIEW von Carmen Eller mit Nir Baram
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, 27.03.2020

AUSZUG:

«Du weisst nicht, was im Inneren des Menschen vorgeht, der neben dir steht.»
Nir Baram versucht, dieses Rätsel zu lösen. Zwei tiefe Verlusterfahrungen verarbeitet der israelische Autor in seinem neuen Roman. Er spricht über den Blick auf die Vergangenheit, die sich ständig verändert – und über die Gefahr, sich in ihr zu verlieren.

Wie haben Sie das Schreiben dieses Romans erlebt?

„Das Buch beschäftigt sich zwar mit dem Tod dieser beiden Menschen, aber während des Schreibens habe ich entdeckt, dass es auch darum ging, das Leben zu rekonstruieren: Momente aus der Kindheit, Momente des Erwachsenwerdens. Ich habe Ereignisse neu durchlebt und sie mithilfe der Phantasie in Fiktion übergeführt. Viele Leser in Israel sind sehr tief in diese Welt eingetaucht.“

 

DEUTSCHLANDFUNK KULTUR
EINE REZENSION VON SIGRID BRINKMANN

AUSZUG:

„Was letztlich zählen soll – und auf nichts anderes will der Autor unsere Aufmerksamkeit mit seiner in der Tageszeitung Ha’aretz geäußerten Bitte lenken –, ist die Genauigkeit, mit der er über die Bürde von Familienbanden und die Unverbrüchlichkeit von Freundschaft schreibt.

Er tut dies offenherzig und feinsinnig, ohne jeden Hauch einer sentimentalen Verklärung. Was fehlt einem Heranwachsenden, der glaubt, seine Mutter nicht gekannt zu haben, wie erzieherisch darf ein Bruder agieren, wo hört Treue zwischen alten Freunden auf, wie viel Egoismus erlaubt einem die neu gegründete Kleinfamilie und wie viel Härte ist zulässig, wenn man sich erdrückender Schuldgefühle entledigen will? Diese Fragen beschäftigen den Romancier und er findet Antworten.